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Meine OP: Schilddrüsen-Entfernung
Nicht nur bösartige Erkrankungen machen eine Operation notwendig.

Univ.-Prof. Dr. Michael Hermann, Vorstand der chirurgischen Abteilung der Klinik Landstraße in Wien und des ersten österreichischen Referenzzentrums für Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenchirurgie

DAS SAGT DER FACHARZT. Wie in den meisten medizinischen Fachgebieten, spielen auch in der Schilddrüsenchirurgie minimalinvasive Verfahren eine Rolle. „Die Schnitte werden bei jeder OP so klein wie möglich gemacht. Wenn es der Befund erlaubt, kann die Schnittlänge auf bis zu 2,5 cm reduziert werden. Solche Methoden sind als minimalinvasive, videoassistierte Thyreoidektomie (MIVAT) beziehungsweise offene minimalinvasive Thyreoidektomie (OMIT) bekannt“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Michael Hermann, Vorstand der chirurgischen Abteilung der Klinik Landstraße in Wien und des ersten österreichischen Referenzzentrums für Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenchirurgie. „Allerdings kommt es stark auf die Ausgangsdiagnose an: Einen 6 cm großen Knoten wird man nicht durch einen 2,5 cm großen Schnitt entfernen können. Daneben gibt es auch einige Möglichkeiten, die OP ohne sichtbare Narben zu planen, etwa durch einen Zugang über den Mund. Solche Operationen sind jedoch nur bei etwa 5 Prozent der Patient*innen möglich.“

 

 

OÄ Dr.in Petra Schuh, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Graz

DAS SAGT DIE FACHÄRZTIN. Rund um die Schilddrüse finden sich wichtige Strukturen, die bei der Entfernung des krankhaft veränderten Gewebes nicht beeinträchtigt werden sollen. OÄ Dr.in Petra Schuh von der Abteilung für Chirurgie im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Graz erklärt, worauf die Operateur*innen während des Eingriffs hierbei besonders achten: „Hinter der Schilddrüse verlaufen beidseits die Stimmbandnerven, welche für die Funktion der Stimmbänder verantwortlich sind. Wird ein Stimmbandnerv im Rahmen der Operation verletzt, kann es zu einer vorübergehenden oder dauerhaften Lähmung der Stimmbänder kommen. Um diese Nerven zu schützen, kommt während der Operation ein Neuromonitoring zum Einsatz, wodurch man die Nerven lokalisiert und deren Funktion überwacht werden kann. Bei anspruchsvollen Operationen kann neben dem Standardverfahren des intermittierenden Neuromonitorings auch eine kontinuierliche Nervenstimulation erfolgen, wobei schon bei geringen Irritationen des Nervs – zum Beispiel Druck oder Zug am Nerv – ein Alarmsignal ertönt und der*die Operateur*in dadurch frühzeitig vor einer Nervenschädigung gewarnt wird.“

 

Nicht nur die Stimmbandnerven sollen unverletzt bleiben, sondern auch die Nebenschilddrüsen, wie OÄ Dr.in Schuh hinzufügt: „In unmittelbarer Nähe der Schilddrüse liegen die kleinen, etwa linsengroßen Nebenschilddrüsen, deren Aufgabe die Regulierung des Kalziumhaushaltes darstellt. Während einer Schilddrüsenoperation sollten die Nebenschilddrüsen dargestellt und erhalten werden. Sehr häufig sind diese jedoch gut versteckt oder haften stark an der Schilddrüse, sodass diese im Rahmen der Operation ungewollt entfernt werden oder mangeldurchblutet im Körper verbleiben. Daraus kann sich eine Störung des Kalziumstoffwechsels ergeben. Um dem entgegenzuwirken, besteht die Möglichkeit, die Nebenschilddrüsen mithilfe eines Autofluoreszenzverfahren zu identifizieren und ihre Durchblutung während der Operation zu beurteilen.“

DIE BEHANDLUNGSMETHODEN. Eine gesunde Schilddrüse wiegt zwischen 18 und 25 Gramm und hat die Form eines Schmetterlings. Sie besteht aus einem linken und einem rechten Lappen sowie dem Isthmus, einer Gewebebrücke, welche die beiden Hälften verbindet. Je nach Erkrankung muss ein unterschiedlich großer Anteil des Gewebes entfernt werden.

 

Ablauf der Operation: Normalerweise wird der Eingriff in Vollnarkose vorgenommen. Der Hautschnitt wird wenn möglich so gesetzt, dass er in einer natürlichen Falte am Hals liegt, um die spätere Narbe so unauffällig wie möglich zu halten. Während der Operation findet auch eine Überwachung der Funktion der Stimmbandnerven (Neuromonitoring) sowie der Nebenschilddrüsen statt, damit diese auch nach der Operation ohne Einschränkungen funktionieren. Laut einer Publikation von Univ.-Prof. Dr. Michael Hermann und Kolleg*innen, die im Jahr 2020 in der Wiener Medizinischen Wochenschrift erschienen ist, ist eine Lähmung der Stimmbänder dank des Neuromonitorings selten geworden. Nach der Operation wird die Wunde so vernäht, dass alle Stiche in der Haut gesetzt werden (Intrakutannaht). Klammerpflaster helfen dabei, die Wundränder optimal zu verschließen. Etwa eine Woche nach der Operation kann die Naht entfernt werden oder die Nähte lösen sich nach einiger Zeit von selbst auf.

 

Komplette oder fast komplette Entfernung: Bei einer sogenannten totalen Thyreoidektomie muss die gesamte Schilddrüse entfernt werden. Daneben gibt es die Möglichkeit einer fast-totalen Thyreoidektomie, bei der das Gewicht des verbleibenden Schilddrüsengewebes jedoch unter 2 Gramm beträgt. Eine weitere Operationsform, bei der ein großer Anteil der Schilddrüse entfernt wird, ist die Operation nach Dunhill. Bei jener verbleiben auf einer Seite 1-4 Gramm des Gewebes, während der andere Schilddrüsenlappen zur Gänze entnommen wird. Wenn ein bösartiger Tumor der Schilddrüse vorliegt, kann zusätzlich zur Thyreoidektomie eine Lymphadenektomie erforderlich sein, bei der auch die Lymphknoten in der Nähe des krankhaft veränderten Gewebes entfernt werden. Nicht bei allen bösartigen Tumoren ist dies notwendig.

 

Entfernung eines Schilddrüsenlappens: Ist das Gewebe in nur einem der Schilddrüsenlappen verändert, gibt es auch hier verschiedene Möglichkeiten, Teile davon oder den gesamten Lappen zu entfernen. Bei der Hemithyreoidektomie entfernt der*die Operateur*in den gesamten erkrankten Schilddrüsenlappen inklusive des Isthmus. Die fast-totale Lappenresektion geht mit einer Entnahme des überwiegenden Teils des Gewebes auf der betroffenen Seite einher – weniger als ein Gramm des Organs bleibt dort zurück. Bei der subtotalen Lappenresektion beträgt das Gewicht des auf der operierten Seite verbleibenden Gewebes 1-4 Gramm.

 

Entfernung eines Knotens oder des Isthmus: Bei den hier vorgestellten Operationsarten handelt es sich um solche, bei der die Veränderung nur einen relativ kleinen Teil der Schilddrüse betrifft. Von einer Enukleationsresektion spricht man dann, wenn eine knotige Veränderung unter Mitnahme eines sparsamen, gesunden Gewebssaums aus der Schilddrüse herausgelöst wird. Wenn nur der Isthmus, der die beiden Schilddrüsenlappen verbindet, von der krankhaften Veränderung betroffen ist, muss nur dieser im Rahmen der Isthmusresektion entfernt werden.

So funktioniert die Schilddrüsen-Entfernung: Je nachdem, wie viel Gewebe im Rahmen der OP entnommen wird, kann eine Hormonersatztherapie mit Thyroxin und eventuell auch mit Jod nötig sein, um eine Schilddrüsenunterfunktion zu vermeiden.

DAS KRANKHEITSBILD. Für eine Schilddrüsenentfernung (Thyreoidektomie) gibt es unterschiedliche Beweggründe. Sie kann nicht nur bei bösartigen Veränderungen wie Krebs, sondern auch bei gutartigen notwendig werden. Zu Letzteren zählen zum Beispiel eine Überfunktion durch heiße Knoten oder Morbus Basedow, eine Entzündung oder eine Vergrößerung (Kropf beziehungsweise Struma) der Schilddrüse. Ebenso können eine gutartige Wucherung (Adenom) oder die Bildung einer Zyste Gründe für einen operativen Eingriff darstellen. Nicht immer wird die gesamte Schilddrüse entfernt, sondern nur so viel, wie aus Sicht der Ärzt*innen erforderlich ist. Je nachdem, wie viel Gewebe im Rahmen der OP entnommen wird, kann eine Hormonersatztherapie mit Thyroxin und eventuell auch mit Jod nötig sein, um eine Schilddrüsenunterfunktion zu vermeiden.

GUT ZU WISSEN: Fakten zu Schilddrüse und Nebenschilddrüsen

 

Hormonausschüttung: Die Schilddrüse reguliert über die Ausschüttung der Hormone T3 (Trijodthyronin) und T4 (Tetrajodthyronin beziehungsweise Thyroxin) den Stoffwechsel und weitere wichtige Prozesse im Körper. Damit diese Hormone produziert werden können, benötigt der Körper eine ausreichende Zufuhr von Jod. Um die Hormonausschüttung in der Schilddrüse zu regulieren, sind außerdem zwei weitere Hormone vonnöten: TRH (Thyreotropin-releasing Hormon), das vom Hypothalamus ausgeschüttet wird, und TSH (Thyreoidea stimulierendes Hormon), welches von der Hirnanhangsdrüse ausgeschüttet wird.

 

Kohlenhydrate, Fett, Eiweiß: Dank T3 und T4 wird Glukose aufgenommen und Cholesterin abgebaut. Der Kohlenhydratumsatz wird gefördert, während die Speicherung von Kohlenhydraten sowie die Bildung von Eiweiß gehemmt wird.

 

Muskeln, Knochen, Energie: Die Muskelfunktion wird genauso wie die Entwicklung des Skeletts und des zentralen Nervensystems gefördert. Herzschlag und Blutdruck steigen, ebenso die Wärmeproduktion und der Sauerstoffverbrauch.

 

Kalzium: Für jenen sind die vier kleinen, hinter der Schilddrüse angesiedelten Nebenschilddrüsen verantwortlich. Sie steuern mithilfe des Parathormons unter anderem den Kalziumgehalt im Blut und die Ausscheidung von Kalzium über die Niere.

 

Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Graz, Abteilung: Allgemein- und Viszeral Chirurgie

Klinik Landstraße, Abteilung: Chirurgie

 

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Klinikguide-Autorin: Mag.a Marie-Therese Fleischer